Versammlungsrecht
Blockade oder keine
Das
Verwaltungsgericht verhandelt über die polizeiliche Auflösung der
Bauwagendemo im April 2004. Dabei waren rollende Unterkünfte demoliert
worden. VON KAI VON APPEN
Rechtmäßiges Vorgehen? Polizisten beschädigen einen Bauwagen, danach wird Bernd Welte abgeführt. Foto: dpa
Mit
der Auflösung der unangemeldeten Bauwagen-Demonstration "Einmal im
Leben pünktlich sein" vor fünfeinhalb Jahren in St. Pauli befasst sich
nun auch das Verwaltungsgericht. Drei Stunden verhandelte am Mittwoch
Richterin Daniela Grellinger-Schmid mit den Prozessbeteiligten über die
Frage, ob die Polizei einen Auflösungsgrund gehabt habe, oder ob die
gewaltsame Beendigung der Demonstration, bei der zahlreiche rollende
Unterkünfte beschädigt wurden, rechtswidrig war.
Gegen
das Polizeivorgehen haben der damalige Versammlungsleiter und
Regenbogen-Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch sowie der
ehemalige Bambule Wagenplatz-Sprecher Bernd Welte geklagt. Einigkeit
zwischen allen Beteiligten bestand darin, dass die
Tatsachen-Feststellungen des Landgerichts vom Dezember 2006 im
Strafverfahren gegen die Bauwagenbesitzer "Grundlage einer
Entscheidung" seien, so dass eine neue Beweisaufnahme entfällt.
Zudem
hatte die Richterin von der Internetseite Indymedia als "Gleichgewicht"
Fotos von der Aktion ausgedruckt, um einen besseren Eindruck zu
bekommen, "da wir ja sonst nur die Polizeiberichte haben", sagte sie.
Dabei geht es vor allem darum, ob die Aktion Versammlungscharakter
hatte oder eine Straßenblockade gewesen sei.
Der Strafrechtskomplex
Seit Jahren beschäftigt die Bauwagendemonstration die Justiz.
Verurteilung: Im August 2005 verurteilt Amtsrichter Lutz Nothmann drei Bauwagen-Besitzer wegen Nötigung von Autofahrern zu Geldstrafen.
Freispruch: Landrichter
Rolf Helbig hebt das Urteil im Dezember 2006 auf und spricht die Bauis
frei. Verkehrsbehinderungen seien sozialadäquate Folgen.
Einstellung: Das
Oberlandesgericht hebt das Freispruch-Urteil im Juni 2007 auf, weil
Helbig nicht die Verwerflichkeit geprüft habe. Der Komplex wird ans
Landgericht zurückverwiesen mit der Auflage, die Bagatelle endlich
einzustellen.
Nach
Faktenlage hatten sich am 24. April 2004 frühmorgens rund 200 Personen
mit 105 Wohngefährten an der Hafenstraße versammelt. "Es war eine nicht
angemeldete und nicht spontane Versammlung", verteidigte
Polizei-Justiziarin Andrea Horstmann das Polizei-Vorgehen, sagte aber
auch, dass eine Demo damals bei Anmeldung verboten worden wäre: "Wir
hätten eine solche Menge nicht zugelassen." Einsatzleiter Thomas Mülder
hatte damals dennoch zunächst die Versammlung geduldet, jedoch die
Benennung eines Leiters verlangt.
Unmittelbar
bevor der als Leiter benannte Hackbusch eingetroffen war, ließ Mülder
jedoch auf Weisung von Gesamteinsatzleiter Kuno Lehmann die Kundgebung
für aufgelöst erklären. "Dass ein Versammlungsleiter nicht da ist, ist
kein Auflösungsgrund", monierte Klägeranwältin Cornelia Ganten-Lange.
Spätere Versuche Hackbuschs, mit Mülder Alternativen auszuloten und die
Kundgebung auf das Heiligengeistfeld oder auf einen von der Polizei
bestimmten Ort zu verlegen, seien verworfen worden. "Es gab keinen
Millimeter Bereitschaft zu verhandeln", sagte Hackbusch.
Eine
Auflösung sei das schärfste Mittel, "beschränkende Auflagen" seien
nicht erwogen worden, kritisierte Ganten-Lange. Es habe keine
"Verhältnismäßigkeitsprüfung" stattgefunden, wie sie das
Bundesverfassungsgericht verlangt, sagte sie. Richterin
Grellinger-Schmid kündigte nach intensiver Prüfung eine baldige
Entscheidung an.